Sebastian

Mann auf Kinder-TraktorMoooin, ich bin Sebastian und dies ist mein Versuch mich mit Worten zu beschreiben – wenn das überhaupt möglich ist.

Allgemeines zur Person:
Ich bin 30, ein sozialarbeitender Mensch, aktuell im 10. Semester meines Studiums (glaube ich, denn ich habe irgendwann aufgehört zu zählen :D), Menschenrechtler, Antikapitalist, Feminist und links!

Ich bin wortaffin, rede, schreibe und trinke leidenschaftlich gerne Espresso!

Was ist deine Diagnose?
Ich bin persönlich kein Fan von Label und damit auch nicht von Diagnosen. Wenn die Seele leidet, leidet die Seele. Punkt. Aber um es krankenkassentechnisch abrechnen zu können und um es verstandsbasiert besser einordnen zu können: F.33.1+2 rezidivierende depressive Störung, die durch wiederholte depressive Episoden (mittelgradig – schwer) gekennzeichnet ist, ohne psychotische Symptome und ohne Manie in der Anamnese. Zur Zeit aber eher F33.4 rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert.

In den letzten Monaten bestehen keine depressiven Symptome!
Sonst wäre ich auch nicht in der Lage diese Sätze hier zu schreiben, gar zu podcasten oder Radio zu machen!

Welche Therapieerfahrung hast du?
You name it! Ich bin seit ungefähr 10 Jahren im Game, d.h. damals ging es los mit depressiven Verstimmungen. Krankeneinsicht und die Notwendigkeit professionelle Hilfe zu organisieren fanden mit Anfang 20 statt. Seitdem durfte ich Einblicke in die ambulante tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP), kognitive Verhaltenstherapie (KVT) und die analytische Psychotherapie (AP) gewinnen. Vollstationäre und teilstationäre Klinikbehandlungen runden meine Expertise ab. Ich glaube, ich kann von mir selbst guten Gewissens behaupten, dass ich therapieerfahren bin! (Ähnlich wie mit den Semestern habe ich aufgehört meine Therapiestunden zu zählen!)

Welches Musikgenre beschreibt dich am besten?
Musikalisch wurde ich durch meine peer group mit Punkrock sozialisiert. Arroganterweise nahm ich bis Anfang 20 auch an, dass „richtige“ Musik nur aus Schlagzeug, Bass und Gitarre besteht. In meiner Sturm und Drang Phase in Bremen konnte ich aber feststellen, dass es noch viel, viel mehr gute Musik gibt, die mir gefällt und zu der ich eine Verbindung aufbauen konnte, als nur meine aus meiner Sozialisation beschränkte, reduzierte und wertende Vorstellung von Musik. Durch diese Erfahrung konnte ich mein Genrerepartour ausbauen und würde ich mich mit emotional-indie-singer-songwriter-dancehall-rap-alternativ-hiphop-crossover-angrypop-punkrock-music-mit-jazz-electro-Element-Enthusiast beschreiben.

Warum Broken Buddies?
Ich habe festgestellt, dass es verdammt anstrengend ist eine psychische Erkrankung auszuhalten. Oft genug habe ich erlebt, wie mich die Ohnmacht, die Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit in die Knie zwang und selbst das Vergießen von Tränen oder das Wichtige darüber Sprechen keine Linderung mehr brachte. Das, was mir – neben der therapeutischen Begleitung und dem wohlwollenden sozialen Umfeld – am meisten geholfen hat, war die Erfahrung, die ich in Gruppentherapie und Selbsthilfegruppen erlebt habe. Die Tatsache in einer Runde mit Leuten zu sitzen, von meinem „struggle“ und meinen Gefühlen erzählen zu dürfen und dabei in verständnisvolle, mitfühlende, zuhörende und manchmal auch einfach „nur“ nickende Gesichter zu blicken, die nicht ohne Grund eben auch in diesem Kreis sitzen und die ähnliches gerade durchmachen oder durchgemacht haben, hat in mir oft für ein tiefes Gefühl der Verbundenheit und der bedingungslosen Annahme gesorgt. In solchen Runden fühlte ich mich aufgehoben. Ich fühlte mich etwas weniger allein.

Ich selbst höre in Zeiten, in denen es mir schlecht geht gerne Musik, gucke Filme, Serien oder lese Bücher (kommt immer ein bisschen auf die schwere der Symptomatik an). Besonders spricht mich dabei immer jene Kunst an, in der das Seelenleid von der Künstler:in deutlich wird. Es ist eine Art asynchrone Kommunikation und irgendwas resoniert in mir. Ich fühle mich dann verbunden, verstanden und habe das Gefühl genau zu wissen, wovon der Mensch spricht! Ich lasse Musik oder Serien oft im Hintergrund laufen, damit ich mich in schweren Zeiten nicht so alleine fühle. Denn Stille ist für mich in solchen Phasen schwer auszuhalten.

Mein Versuch in der aktuellen medialen Landschaft Trost und Verständnis hat mich immer etwas enttäuscht und unzufrieden zurück gelassen. Zwar gibt es viele Angebote mit psychoedukativem Charakter in Form von Interviews, Reportagen und Podcast mit Tipps und Empfehlungen, was man alles tun kann. Leider habe ich festgestellt, dass dies für mich sehr voraussetzungsvoll ist und ich selbst in der tiefsten Krise dazu nicht mehr in der Lage bin. Ebenso habe ich oft einen Veränderungs- und Symptomlinderungsdruck verspürt, der fast schon in eine Art Schuldzuweisung (von mir selbst und den Macher:innen) mündete. Grundtenor ist oft „Es gibt Hilfe & Du kannst was dagegen tun“ aber auch „Tu es!“. Ich für meinen Teil habe aber festgestellt, dass man manchmal nichts tun kann – manchmal bleibt einem nichts anderes übrig als AUSZUHALTEN!

Ich denke schon seit Längerem darüber nach, wie man es Menschen in der Krise leichter machen kann und welche Angebote zur Unterstützung noch geschaffen werden können?
Wie erreicht man jene, die nur noch im Bett liegen und nicht mehr aufstehen können;
die darauf warten, dass ihre Medikamente anschlagen und ein Therapie- oder Klinikplatz frei wird;
die nur schwer durch den den Tag kommen und einfach nicht mehr weiter wissen;
die vielleicht nicht in der Lage sind an einer ambulanten Therapie oder an einer lokalen Selbsthilfegruppe teilnehmen zu können;
die das Gefühl haben, alleine zu sein und die Einzigen auf der Welt zu sein, denen es so geht;
die sich fragen, ob ihr Leben unter diesen Umständen noch lebenswert ist;
und alle, die nur noch wollen, dass dieses Leiden aufhört?

Und da kam mir die Idee:
mit Musik, die berührt und Tiefe hat;
mit Radio, was im Hintergrund laufen kann;
mit Moderator:innen, denen es genauso geht, die mit Galgenhumor und sanften Stimmen behutsam die selbe Sprache sprechen und die kein happy-peppy-auf-druck-komm-raus-Gute-Laune-Radio machen, ein Radio mit Selbsthilfecharakter, auf Amateurnieveau, mit der Möglichkeit für die Zuhörenden ganz niederschwellig mit zu machen (in Form von: Songwünsche, jemanden Grüßen, Sprachnachrichten);
mit Podcast, in dem mehrere Menschen aus unterschiedlicher Pespektive aus ganz persönlicher und betroffener Sicht berichtet, wie es sich anfühlt an einer psychischen Erkrankung und den Umgang der Gesellschaft damit zu leiden, in dem man sich als betroffener Mensch einfach einklinken kann, zuhören kann und sich an der ein oder anderen Stelle vielleicht sogar wiederfindet.

Broken Buddies basiert auf der Idee ein Angebot zu schaffen, in dem Menschen einfach nur auf den „Play“-Button ihres Smartphones drücken können, um in eine Community eintauchen zu können und das Gefühl zu haben „Ich bin nicht allein“; wo Emotionen und Gefühle einen Raum bekommen, die sonst vielleicht eher verdrängt oder nicht gelebt werden! Und das alles befreit von dem Druck „Es muss sich was ändern“; unter der Prämisse „Es ist okay, nicht okay zu sein“. Ein bedingungslos annehmender Ort des Wohlwollens, der Akzeptanz und Liebe – ein Zuhause, nach welchem sich viele vielleicht sehnen.

Für jeden Broken Buddy da draußen, der sich durch dieses Projekt ein bisschen weniger alleine fühlt, der vielleicht mit unserem Angebot etwas besser durch den Tag kommt und der sich mit uns verbunden fühlt, hat sich die Arbeit gelohnt und unser Ziel erfüllt – I feel u buddy! :*

Entstigmatisierung und Antidiskriminierung
Ein weiteres übergeordnetes und eher gesellschaftliches Ziel, welches sich auf meiner Bucket List befindet, ist, dass ich mich für die Entstigmatisierung von psychsichen Erkrankungen einsetze. Ich leide eigentlich schon genug an den eigentlichen Symptomen meines schwarzen Hundes – wie Winston Churchill seine Depressionen nannte. Was mich aber manchmal noch mehr leiden lässt, ist das Symptom bzw. das co-abhängige, gesellschaftliche Stigma und die Diskriminierung, die mit einer psychischen Erkrankung einher gehen. Die Ignoranz, das Totschweigen, das Nicht-Verstehen-Wollen, das Runterspielen und die schwierigen Gespräche mit Freund:innen, Familien, Bekannten, Arbeitskolleg:innen und Arbeitgeber:innen, die manchmal trotz gut gemeinter Ratschläge – eher Schläge verteilen als Hilfe leisten und Verständnis zeigen, sind Dinge, die verhindert werden können, wenn wir anfangen über psychische Erkrankungen zu reden, aufzuklären, zu enttabuisieren, es besprechbar und salongfähig machen.
Ich möchte in einer Gesellschaft leben in der ich – egal wo ich bin, egal in welchem Kontext – über meine Therapie und meine Depressionen sprechen kann, als würde ich von meinem letzten Urlaub berichten – ohne Angst haben zu müssen, dass meine Freund:innen und Familie mich für verrückt halten und nichts mehr mit mir zu tun haben wollen.
Ich möchte offen in jeden zukünftigen Bewerbungsgespräch von meiner erhöhten Wahrscheinlichkeit berichten, wieder eine depressive Episode erfahren zu müssen, ohne abgewertet oder als Risiko eingestuft zu werden. Ich möchte in zukünftigen Arbeitsverhältnissen nach Hilfe und Unterstützung im Team und der Leitung fragen können – ohne Opfer von Mobbing zu werden und ohne Angst um meine finanzielle Existenz haben zu müssen.
Ich möchte in mein Tinder-Profil schreiben können, dass ich ein Broken Buddy bin, der ab und zu ein bisschen Zeit für sich selbst braucht – ohne Angst davor zu haben gar keine Matches mehr zu generieren und dass das Kennen lernen nach dem ersten Date zu Ende ist!

Ich weiß, dass das ein enorm großes Ziel sind und Broken Buddies vielleicht nur einen kleinen Beitrag leisten kann.

Vielleicht bringen wir hier aber auch einen Stein ins Rollen, der zu einer gesamtgesellschaftlicher Veränderung beiträgt. Es bedarf vieler Hände, den Stein am Rollen zu halten.

Lasst uns gemeinsam anpacken!